Major Martin hat 25 Jahre im Kfz-Regiment 2 in den verschiedensten Dienststellungen gedient. Sein erster Dienstgrad war Unteroffiziersschüler im Jahr 1965. Er beendete seine militärische Dienstzeit im Kfz-Regiment 2 im Jahr 1990.
Hier ist ein Beitrag von ihm über seine Dienstzeit in der NVA, speziell sein Dienst und seine Erlebnisse im Kfz-Regiment 2.
Beitrag verfasst von Hans Peter Martin
Meine 25-jährige Dienstzeit im Kfz-Regiment 2
(Gedächtnisprotokoll)
„Kinder hört zu – Opa erzählt vom Krieg“
Einberufung und Grundwehrdienst
Am 03.05.1965 traf ich mit einer Gruppe junger Männer im Zug von Dresden nach Strausberg am Bahnhof Strausberg Vorstadt ein. Über Lautsprecheransagen wurde wir in in kleinen Haufen gesammelt und unter Leitung eines Ufw (Unterfeldwebel) im Zug von Strausberg Vorstadt nach Strausberg Nord gefahren und dann in das Kfz-Regiment geführt. Hier begann eine 4 wöchige Grundausbildung. Unser Dienstgrad war Kraftfahrer und damit schon der zukünftige Verwendungszweck festgelegt.
Die Grundausbildung erfolgte, auch in den folgenden Jahren, in speziell zu diesem Zweck zusammen gestellten Ausbildungskompanien. Kompaniechef, Politstellvertreter, Hauptfeldwebel, 3 Zugführer mit jeweils 3 Gruppenführern. Hier lernten wir marschieren, Schießen, alles mögliche militärische und uns auf den Fahneneid vorzubereiten. Das geschah im Politunterricht und in der Exkursion nach Sachsenhausen.
Köhlerliesel
Ein Gruppenführer unseres Zuges hieß Köhler. Beim Zurückmarschieren nach dem Abendessen kam der übliche Befehl:
„ Ein Lied!!“ Leise wurde durchgegeben: Köhlerliesel – „Lied durch“ und der Zug stimmte fröhlich das Lied an, sofort das Kommando: Lied aus!
Und noch 2 Extra Runden um das Stabsgebäude.
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Zwei Menschen aus dieser Zeit sind mir in nachhaltig in Erinnerung geblieben. Zum einen dieser Uffz (Unteroffizier) Köhler, ein etwas humorloser, strenger aber auch sehr zuverlässiger und gerechter Vorgesetzte. Der später einige Zeit mit mir gemeinsam Fahrlehrer in der Ausbildungsgruppe war, wo wir uns etwas anfreundeten. Später war er einer der Ersten, der aus den Unteroffiziersdienst zum Offizier ernannt wurden. Zu letzt war er im Stab von Generalmajor Magnitzke. Der andere war unser damaliger Kompaniechef Hptm (Hauptmann) Nass. Ein sehr emphatischer Ur-Berliner, über ein Studium in Leningrad auch im Stab von Magnitzke.
Unterkünfte
Als ich 1965 einberufen wurde, waren die Unterkünfte für alle Regimentsangehörigen allein das Stabsgebäude. Bis Ende der 60-er Jahre blieb das so. Außer der 4. Kompanie, die war im Objekt Berlin Köpenick untergebracht. Der Kompaniechef dieser Einheit war ein kleiner König für sich. Weitab von der Regimentsführung residierte er fast völlig unkontrolliert.
Die 6. Kompanie war bis Ende der 70-iger Jahre über der Straße (Prötzeler Chaussee, gegenüber dem Kfz-Regiment) in Baracken untergebracht.
Für die 4 Wochen Grundausbildung wurde im Regiment eine Zeltstadt errichtet.
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Die Situation änderte sich, als Mitte 1970 ein 4 stöckiger Neubau errichtet wurde. Aber bald platzte der Personalbedarf aus allen Nähten und in 80 iger Jahren entstand nochmals ein 4 stöckiger Neubau.
Unteroffiziersausbildung
Alle, die sich aus den verschiedensten Gründen zu einer dreijährigen Dienstzeit verpflichtet hatten, wurden nach der Grundausbildung zu einem Unteroffizierslehrgang zusammen gefasst. Diese Ausbildung erfolgte bis 1973 in Eigenregie des Kfz-Regiment. Es war ein Ausbildungszug mit Zugführer und 2 Gruppenführern ( zu meiner Zeit)

Nach 6 Monaten Ausbildung wurden wir zum Unteroffizier ernannt, in zwei Gruppen:
Unteroffizier/ Gruppenführer | – diese wurden auf die Kompanien als neue Gruppenführer eingesetzt |
Unteroffizier / Kraftfahrer | – die wurden ausschließlich als Cheffahrer hauptsächlich in der 1. Kompanie eingesetzt. |
Meine Ausbilder waren die Gruppenführer/ Fahrlehrer Jeromin und Karl. Konsequente, mit einem hohen fachlichen Wissen umfassend ausbildende Vorgesetzte.
Außer der militärischen und Kfz-spezifischen Ausbildung mussten wir auch lautes Kommandieren trainieren.
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Unser Ausbildungsfahrzeug war der LKW S 4000.
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Nach einer entsprechenden Prüfung wurden wir zum Unteroffizier (Uffz) befördert und auf die einzelnen Einheiten aufgeteilt. Ich wurde als Dispatcher in der Fahrdienstleitung eingesetzt. Diese befand sich bis zum Schluß am Eingang zum Kfz-Park und war rund um die Uhr besetzt.
Der Dispatcher nahm die Kfz-Bestellungen entgegen und sorgte dafür, dass die jeweiligen Kraftfahrer, wenn nötig, geweckt, rechtzeitig den Park mit ihrem Pkw verließen.
Kommandeursfahrer des Regimentskommandeurs
Unser Regimentskommandeur Oberstleutnant Taube war mit seinem Fahrer unzufrieden, weil der sich absolut nicht die einmal gefahrenen Strecken merken konnte. So fragt er mich, ob ich das nicht machen wolle.
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So wurde ich Cheffahrer und hatte gleichzeitig noch als Gruppenführer im Stab ein paar Köche, Tankwarte und Schreiber an der Backe.
Als Cheffahrer entwickelt sich ein besonders Verhältnis zwischen Chef und Fahrer.
So bearbeitete er mich häufig mit dem Angebot, doch 10 Jahre zu bleiben. Da ich aber nach der Armeezeit studieren wollte, machte er das Angebot, ein Fernstudium zu machen. Ich nahm an. Eine Sensation damals, ein Unteroffiziersdienstgrad macht Fernstudium.
Aber die Stelle als Cheffahrer war nicht für einen Berufssoldaten ausgeschrieben, deshalb suchte ich mir die Arbeit als Fahrlehrer aus.
Fahrlehrer
Die Ausbildung zum Fahrlehrer erfolgte im Kfz Regiment bis zum Schluß in Eigenregie. In so genannten 4- wöchigen Fahrlehrerlehrgängen.
Danach erfolgte die Prüfung in Theorie und Praxis. Eine der großen Herausforderungen war mit dem Lkw G5 im Gelände am Steilhang nach der Sicherung des Kfz mit der „Ratschen Handbremse“ ohne zurück zu rollen, losfahren.

Die in den Lehrgängen herangebildeten Fahrlehrer wurden hauptsächlich zur Heranbildung der jungen Militärkraftfahrern zur Erlangung der jeweiligen Typenberechtigung eingesetzt. Fast alle eingezogenen Wehrpflichtige für das Kfz-Regiment waren im Besitz der Fahrerlaubnis für LKW. Aber zum Führen eines Armee-Kfz braucht der Fahrer die für den Typ jeweilige Typenberechtigung.
Einige von den damals im Laufe der Jahre ausgebildeten Fahrlehrer sind bis heute sehr erfolgreich in der Schar heutiger Fahrschulen.

Ersatzteilbeschaffung
Obwohl sicher die NVA in der Bereitstellung von Ersatzteilen bevorzugt wurde, fehlte es hin und wieder an einigen Ersatzteilen für unsere Ausbildungs-W50.
Da gingen die Abdeckkappen von Blink- und Spurhalteleuchten kaputt, Werkzeug (besonders kleine Größen) gingen auf sonderbarer Weise verloren oder andere Dinge wie Sicherungen, Keilriemen ect. fehlten.
Da traf es sich gut, dass unsere Unteroffiziersschüler einen Solidaritäts-Arbeitseinsatz zur Sicherung des sozialistischen Wettbewerbs in unserem Patenbetrieb, dem Lkw-Werk Ludwigsfelde an mehreren Sonntagen den dortigen Arbeitern unter die Arme griffen. Als Dank für gute Arbeit bei der Produktion von Lkw W50 durften wir die von uns so dringend benötigten Ersatzteile mitnehmen.
Das wiederholte sich an den nächsten 4 Wochenenden. Inzwischen hatten wir schon Wunschlisten unsere Kfz-Lagers erhalten. Kaum angekommen, strich einer unserer Uffz.-Schüler ( ein sehr aufgewecktes Bürschchen, der später in meiner Ausbildungsgruppe ein sehr guter Fahrlehrer wurde und später im Zivilleben ebenfalls eine sehr gute Arbeit als Fahrlehrer machte) durch die Hallen und „kaufte ein“.
Dies half unsere Gefechtsbereitschaft immer wieder auf hohem Niveau zu halten. Aber nach 4 Wochen war unsere Hilfe nicht mehr von Nöten. Vielleicht war auch die Ersatzteilbeschaffung teurerer, als der von uns erwirtschafte Nutzen.
Auch bei der Ernte in der Landwirtschaft halfen die NVA- Angehörigen mit.

Prager Frühling
Es war das Jahr 1968. Ich war Fahrlehrer im Dienstgrad Feldwebel und schon Außenschläfer (Außenschläfer waren Armeeangehörige, die nicht in der Kaserne schlafen mussten, sondern eine „Zivilwohnung“ hatten).
Im „Busch“ grumbelte es. Das heißt, unter der Hand wurde über die Ereignisse in der CSSR diskutiert. Urlauber und Außenschläfer, die verbotener Weise Westfernsehehen und Radio hörten, brachten die Nachrichten von der anderen Seite mit. Partei und Armeeführung hielten gegen die konterrevolutionäre Entwicklung dagegen.
Der Prager Frühling (tschechisch Pražské jaro, slowakisch Pražská jar) ist die Bezeichnung für das Streben der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei (KSČ, deutsch meist KPČ) unter Alexander Dubček im Frühjahr 1968, ein Liberalisierungs- und Demokratisierungsprogramm durchzusetzen, sowie vor allem die Beeinflussung und Verstärkung dieser Reformbemühungen durch eine sich rasch entwickelnde kritische Öffentlichkeit.
Mit dem Begriff „Prager Frühling“ verbinden sich zwei gegensätzliche Vorgänge: einerseits der Versuch, einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ (tschechisch: socialismus s lidskou tváří) zu schaffen, andererseits aber auch die gewaltsame Niederschlagung dieses Versuchs durch am 21. August 1968 einmarschierende Truppen des Warschauer Paktes.
Die Bezeichnung „Prager Frühling“ stammt von westlichen Medien und ist eine Fortführung des Begriffs Tauwetter-Periode, der wiederum auf den Titel des Romans Tauwetter von Ilja Ehrenburg zurückgeht.
https://de.wikipedia.org/wiki/Prager_Fr%C3%BChling
Welcher Tag es war, weiß ich nicht mehr. Ich hatte 24-Stunden-Dienst als GOvD (Gehilfe des Offiziers vom Dienst). Es war 2 Uhr Nachts, ich war auf Kontrollgang gerade im Stab unterwegs, als Gefechtsalarm ausgelöst wurde. Sofort lief das eingeübte Prozedere ab. Alles raus aus den Betten, rein in die Kampfuniform, Sturmgebäck auf. Zur Waffenkammer, da plötzlich Ausgabe scharfer Munition. Da stockte der Atem, es ist Ernst. Und plötzlich bereitete sich eine unheimliche Ruhe aus, selbst die eingefleischten Großmäuler waren blaß und totenstill. Sowohl unter den Soldaten wie auch unter den Vorgesetzten.
Außenschläfer strömten zurück in die Kaserne und nach nur einer reichlichen Stunde waren alle aufgesessen und alle Marschkolonnen abfahrbereit.

Der Befehl zum Ausrücken kam aber nicht. Es vergingen bange Stunden. Dann etwas Erlösung, absitzen, abrücken in die Einheiten. Hier verblieben alle Armeeangehörige vom Soldaten bis zum Regimentskommandeur voll aufmunitioniert die nächsten 14 Tage, die nächsten 2 Wochen durften jeweils 50% der Außenschläfer die Nacht zu Hause verbringen. Die scharfen Waffen blieben am Mann, bis sich eines Tages beim Waffenreinigen auf dem Kompanieflur ein Schuß löste. Zum Glücken ging er quer durchs Zimmer zum Fenster hinaus und richtete keinen Schaden an. Danach kam Waffe und Munition wieder in die Waffenkammer, Nach der „Bereinigung“ in der CSSR lief auch bei uns im alten Trott.
In der Nacht zum 21. August 1968 marschierten etwa eine halbe Million Soldaten der Sowjetunion, Polens, Ungarns und Bulgariens in die Tschechoslowakei ein und besetzten innerhalb von wenigen Stunden alle strategisch wichtigen Positionen des Landes. Es war die größte Militäroperation in Europa seit 1945.
https://de.wikipedia.org/wiki/Prager_Fr%C3%BChling
Ausbildungskompanie
Anfang der 70-iger Jahre wurde im Truppenteil eine spezielle Ausbildungskompanie gebildet, mit dem Ziel, die Unteroffiziersausbildung und die Ausbildung zum Militärkraftfahrer zu zentralisieren.
Kompaniechef war Schamedatus (später 1. Stellvertreter des Regimentskommandeurs, dann im Stab von Magnitzke, danach Leiter des Kfz-Gerätelagers in Neuenhagen)
Zugführer waren junge Offiziere von der Offiziershochschule, die über die Stationen Kompaniechef später in den Regimentsstab aufstiegen.

Ich wurde als Schirrmeister eingesetzt, war also verantwortlich für den Kfz- Bestand der A-Kompanie. Dieser bestand aus Wartburg 311, 312, später 353, sowie UAZ, LO und W50 LA und LA/A.
Schirrmeister (altertümlich auch Geschirrmeister) ist eine Bezeichnung für Verwalter und Betreuer von umfangreichem Material wie Fuhrparke und deren Zubehör.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schirrmeister
Tätigkeit als Militärschöffe
In der NVA gab es die Militärstaatsanwaltschaft und Militärgerichte, sowie Militärobergerichte. Die waren zuständig für spezielle Militärstraftaten und Straftaten, die von NVA-Angehörigen aller Dienstgrade begangen wurden.
Schöffen (von althochdeutsch sceffino, der Anordnende) sind in Deutschland und Österreich ehrenamtliche Richter, die im Hauptverfahren von Strafprozessen mitwirken.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%B6ffe_(ehrenamtlicher_Richter)
Militärgerichte waren Schöffengerichte. Zu diesem Zweck wurden in den Truppenteilen eine bestimmte Anzahl von Berufssoldaten (vom Uffz. bis zum Offizier) für eine Zeit von 8 Jahren in offener Wahl zum Militärschöffe gewählt.
Ich war insgesamt 16 Jahre als Militärschöffe am Militärgericht Berlin tätig.
Die Schöffen eines Truppenteils waren in einem Schöffenkollektiv zusammengefasst und ihre Aufgabe bestand darin, in den Einheiten Aufklärungsarbeit zur Verhinderung von Straftaten zu leisten.
Die Schöffen wurden regelmäßig für ihre Arbeit in Fortbildungen am Gericht geschult. Darüber hinaus waren sie 2-3 mal im Jahr für eine Woche an das Militärgericht kommandiert. In dieser Woche betrieben sie Aktenstudium, nahmen an Hauptverhandlungen teil und arbeiteten als Schöffe im Gerichtsprozess.
Darüber hinaus wurden Schöffen tageweise bei Bedarf zu Hauptverhandlungen an das Gericht berufen.
Als Kfz-Angehöriger war ich hauptsächlich als Schöffe bei Verkehrsunfällen tätig.

Zugführer
1973 beendete ich mein Studium als Ing. für Landtechnik mit dem Ziel, in 2 Jahren meinen 10 Jahre währenden Dienst im Kfz- Regiment zu beenden.
Aber wieder kam es anders. Der neue Kommandeur Huber hatte von seinem Vorgänger den Tipp bekommen, mich zum Offizier zu machen.
Es folgten zahlreiche Gespräche. Ausschlag gab letztendlich die Tatsache, dass ich endlich eine Neubauwohnung, für meine beiden Kinder Kindergartenplätze und meine Frau eine Arbeit als Zivilbeschäftigte im MfNV hatte. Das wollte ich dann doch nicht alles aufgeben.
So wurde ich am 01.03.1973 zum Unterleutnant ernannt. Der undankbarste Dienstgrad, den ich je hatte.
Man gehörte nicht mehr zu den Unteroffiziersdienstgraden, aber die Offiziere nahmen einen auch nicht so richtig ernst.
„ Heute Offiziersversammlung, Unterleutnants nehmen auch dran teil“ hieß es dann schon öfters.
Zu dem Zeitpunkt wurde von der vorgesetzten Dienststelle beschlossen, die Unteroffiziersausbildung des Wachregimentes 2 und des Kfz-Regimentes 2 zusammen zu legen.
Zu diesem Zwecke wurde im Wachregiment 2 in Eggersdorf eine Unteroffiziersausbildungskompanie unter Leitung des Kompaniechef Meyer gebildet.
Struktur:
- 1.und 2. Zug Wachsoldaten (Sandlatscher),
- 3. Zug Kfz-Leute
Ich wurde mit meinen zwei Gruppenführen trotz großer Widerrede als Zugführer 3. Zug nach Eggersdorf versetzt.
Wir gaben uns alle Mühe, nicht heimisch zu werden und betonten immer die besondere Rolle eines Kfz- lers. Zuletzt mußten wir sogar unsere geliebte Waffenfarbe schwarz ablegen, weiß tragen und sogar den Ärmelaufdruck Wachregiment 2.
Trotzdem bildeten wir gut unsere zukünftigen Kfz-Unteroffiziere heran und fügten uns in das Kompanieleben ein.
Als Ausbildungsfahrzeuge standen uns täglich zur Verfügung ein SPW 152 (Eisenschwein) , ein SPW 60 PB und ein UAZ.

Kompaniechef 2. Kompanie
Mai 1975 – mein sehnlichster Wunsch wird wahr- Rückversetzung aus dem Wachregiment 2 ins Kfz-Regiment. Ich war Leutnant und wurde Kompaniechef der 2. Kompanie, übernahm die Stelle von Oblt. Schulz, war damit der jüngste Kompaniechef, jünger als meine beiden Stellvertreter (TA, Polit) und der Hauptfeldwebel, dazu 3 Offiziere -Zugführer, gestandene und einer frisch von der Schule. Allen Unkenrufe zum Trotz wurden wir schnell ein gute funktionierende Truppe und arbeiteten uns in die Gruppe der angesehenen Kompanien innerhalb des Kfz-Regiments.

Die Einheit bestand aus 3 Zügen a 30 Mann, 2 Züge Militärkraftfahrer , 1 Zug Zivil
mit Zivilbeschäftigte/ Kraftfahrer.
Gefahren wurde auf Lada und Wartburg 353. Die Kfz waren den einzelnen Verwaltungen des MfNV und im Ausnahmefall bestimmten Personen zugeordnet.
Es war schon eine anspruchsvolle Arbeit, geteilt in militärische und zivile Bereiche und Problemkreise. Dazu die Belange der einzelnen Bereiche im Ministerium zu entsprechen. Auch die Trennung zwischen Fahrdienst und militärischer Ausbildung.
Was macht ein Soldat lieber ? Natürlich Fahren, aber Politunterricht, Gefechtsausbildung und Fahrzeugpflege wurden auch verlangt und flossen natürlich in den sozialistischen Wettbewerb ein.
Kfz-Pflege und Wartung
Die Kfz Pflege/ Wartung der Kfz erfolgte in mehren Schritten:
- Die Kontrolldurchsicht vor Fahrtbeginn, alle Flüssigkeitsstände auf maximal, Kontrolle auf Schäden usw.
- Wartung nach Fahrtende, Tanken (immer bis voll), Waschen, Kontrolle auf Schäden, Kontrolle aller Flüssigkeitsstände usw.
- Parktage, mindestens einer pro Monat, von 08.00-16.00, endete stets mit einem Kfz-Appell
- VnP- Vorbereitung auf die neue Nutzungsperiode, (Sommer-Winter), im Herbst mit der Jahresüberprüfung und der technischen Zulassung für das nächste Jahr durch einen Kfz-Sachverständigen
- Instandsetzung bei Schäden oder Ausfall
Das Kfz-Regiment verfügte über eine umfassende Instandsetzungsbasis (später noch ein hochmodernes Diagnosezentrum ), so das alle anfallenden Instandsetzung vor Ort in den Werkstätten, die fast ausschließlich von Zivilbeschäftigten unter Führung von Berufssoldaten / Offizieren erledigt wurden.
Verkehrsunfälle
Ein Problem stellten natürlich Verkehrsunfälle, besonders die im öffentlichen Straßenverkehr dar. Geschah dies, dann mußte man als Kompanie-Chef Meldung beim Regimenter (Regimentskommandeur) machen, was immer einen großen Anschiß mit sich brachte, so als ob man selbst den Unfall verursacht hätte. Auch dann nicht, wenn der betroffene Kraftfahrer einen noch freudestrahlend gemeldet hatte: „ unschuldig“. Unfall blieb Unfall. Denn das Fahrzeug war ausgefallen und das senkte für Tage die Kampfbereitschaft.
Deshalb galt der Arbeit des Verkehrssicherheitsaktives und der vorbeugenden Arbeit große Aufmerksamkeit.

Episode: Bei der Besprechung aller Kompanie-Chefs beim Regimenter : „Gen Oblt, wann haben Sie die Fahrerlaubnisse ihrer Kraftfahrer das letzte mal kontrolliert ?“ Meine Antwort wie aus der Pistole geschossen: Das macht mein Hauptfeldwebel bei Ausgabe des Soldes jeden Monat (was natürlich nur im Ansatz stimmte, so gewissenhaft waren wir doch nicht).
Da legte er mir die Fahrerlaubnis eines meiner Soldaten auf den Tisch „ und was ist damit ?“, hm, „ die hat mir die VP seines Heimatortes zugesandt, denn die war für 3 Monate eingezogen“. Bedeppert marschierte ich in meine Kompanie , lies den Soldaten kommen und fragte ihn herausfordernd „ zeigen Sie mir mal ihre Fahrerlaubnis!“
Da knöpft er seine Brusttasche auf und holt seine gültige Fahrerlaubnis raus. Da hatte er glatt eine zweite. Mit der bin ich stolz zu meinem Kommandeur marschiert. Entschuldigt hat er sich aber für den Anschiß nicht.
Klassifizierungsabzeichen (Qualispange)
Dieses Abzeichen war bei allen Kfz-lern (egal ob Soldat oder höher) sehr beliebt, weil es nicht irgendwie verliehen, sondern durch Leistung, die durch eine Prüfung bestätigt wurde, erkämpft werden mußte.

Soldaten erhielten es in der Stufe III, für die Stufe II war die Qualifizierung zum Fahrlehrer nötig und für die Stufe I die Qualifizierung zum KHS ( Kraftfahrzeughilfssachverständiger)
Letzterer erfüllte die Aufgabe eines heutigen Sachverständigen, er nahm Fahrerlaubnisprüfungen, Typenberechtigungen ab und überprüfte Kfz, stellte die Zulassungen aus ( und verteilte bei Verkehrsverstößen Stempel in den Berechtigungsschein zur Fahrerlaubnis).


Waffenbrüderschaft
Waffenbrüderschaft mit der Sowjet-Armee war in den politischen und militärischen Grundsätzen fest verankert und wurde per Befehl durchgesetzt. So wurden den einzelnen Einheiten sowjetische Partner zugeordnet. Unsere Pkw-Kompanien (1.-3.) bekamen als Partner die Pkw-Kompanien des Kommandos der sowjetischen Streitkräfte in Wünsdorf zugeordnet, also Soldaten mit ähnlichen Aufgabengebieten wie unsere Kompanie. Mein Partner in Wünsdorf war der Ko-Chef der 2. Kompanie.
Wir fuhren als Delegation nach Wünsdorf an staatlichen und militärischen Gedenktagen und bei Vereidigungen der Rekruten. Nach Besichtigungen, die für uns sehr interessant war (bekamen wir doch einen kleinen Einblick in die geheime Stadt Wünsdorf, wenn auch der innere Zirkel auch für uns tabu war), endete der Besuch immer mit einem ausgiebigen „Prasnik“, zu deutsch einem kräftigen Besäufnis. D.h. neben einem ausgiebigen Essen folgte ein Toast nach dem anderen, denn ohne Toast kein Wodka. Dabei gab es eine feste Reihenfolge, der erste Toast auf den Generalsekretär, der zweite auf die Partei und der dritte immer auf die ruhmreichen Streitkräfte. Erst danach durften auch wir Toast aussprechen.

Wir saßen immer zwischen unseren sowjetischen Partner und unterhielten uns mit Händen und Füßen und je mehr Wodka geflossen war, um so besser klappte die Verständigungen. Ich hatte unterschiedliche Partner, einen fast schon als Freund, der es auch nachsah, wenn ich beim Trinken mal aussetzte, aber zum Ende meiner Zeit als Ko Chef einen anderen sauf- und rauflustigen Offizier, der einem mit sichtlicher Freude den Wodka förmlich einflößte. Aber auch hier konnte ich mich mit ein paar Tricks vorm totalen Untergang retten.
Gut war, das es ständig fettes Essen mit viel Brot und Fisch, auch Trockenfisch gab, das neutralisierte ein bisschen den Wodka.

Beim Gegenbesuch in unserer Kaserne rächten wir uns. Erst veranstalteten wir Wettkämpfe, meistens auf der Kfz Lehrbahn (immer schön aufpassen, das die sowjetischen Freunde genug gewannen) und dann ebenfalls ein „Prasnik“. Wir begannen mit Bier, das tranken die sowjetischen Offiziere sehr gern, dazu noch Weinbrand, alles ohne Essen, das haute schon die ersten fast um. Dann gab es Abendbrot (gut zu Essen), doch danach wurde (typisch deutsch) abgeräumt.
Nun gab es nur noch zu trinken und zum Schluß mussten wir die Freunde volltrunken in ihre Autos verfrachten. So unterschiedlich waren halt die Trinkgewohnheiten.
Silvester in Wünsdorf
Trotzdem verbrachte ich in Wünsdorf eines meiner schönsten Silvester. Auf Einladung des dortigen Kfz-Batallions fuhren unser Regimentskommandeur, 2 seiner Stellvertreter und die Ko Chefs der 1.-3. Kompanie (alle mit ihren Frauen) am Silvester-Abend in guter Stimmung mit einem LO-Bus nach Wünsdorf.
Um 22.00 Uhr sollten wir am Kontrollpunkt sein und dann von einem Offizier abgeholt werden.
Typisch deutsch waren wir eine Viertelstunde früher da und der Stellvertreter für Ausbildung (Major Schamedatus -fließend russisch sprechend) meldete uns an.
Die Antwort: swje budjet (es wird werden), wir warteten. Um 23.00 standen wir immer noch vor dem Tor, wir hatten noch nicht einmal was zu Trinken dabei. Die nochmalige Rücksprache am Tor ergab das gleiche Ergebnis. In der Ferne stiegen schon die ersten Raketen in den Himmel. 20 Minuten vor Mitternacht öffnete sich das Tor, ein Wolga fuhr vor, mitkommen! Wir wurden in das Dienstzimmer des Bataillonskommandeurs gebeten, dieser öffnete einen gewaltigen Panzerschrank, holte Kalifornischen Wein raus und goß jeden ein. Eine Erklärung zur Wartezeit: das Bataillon hatte geplant, aber der Generalstab hatte befohlen. Erst wird mit den Soldaten der russische Jahreswechsel – um 22.00 Uhr-gefeiert, dann könnt ihr mit den Deutschen feiern.
Wir tranken auf das neue Jahr und wurden dann in einem reich geschmückten Raum geführt, in dem sich die Tische mit Essen und trinken fast bogen.
Auch hier saßen wir zwischen den sowjetischen Genossen und ihren Frauen und es wurde eine wunderschöne Feier.
Partei und Armeeführung
In der DDR, also auch in der NVA galt der Grundsatz: Nichts geht ohne die Führung der SED, aber doch gab es die militärische Führung, die im „ Ernstfall“ schnell und ohne Diskussion handeln musste. Deshalb führt zwar die Partei, aber als Berater und als Kontrolleur.
Grundsätzlich waren alle Politstellvertreter ausgebildete Offiziere, im Kfz-Regiment als Kfz-Ingenieure. In einer Kompanie hatte ich als Kompaniechef einen Politstellvertreter, der für die politische Arbeit in der Kompanie verantwortlich war. Mir war er ein guter Vermittler zwischen den Soldaten und der Kompanieführung. Er hatte das Ohr an der Masse und beriet mich in Fragen der Menschenführung.
Wie gut so ein „Politnik“ seine Arbeit verrichtete, hing natürlich von der Qualität des jeweiligen Offiziers ab. Ich selbst hatte einen hervorragenden Politstellvertreter und mit ihm ein sehr gutes Team geschmiedet.
Die politische Führung setzte sich fort, indem auch der Regimentskommandeur einen Stellvertreter für politische Arbeit hatte. Diesem unterstand eine ganze Arbeitsgruppe Polit mit Kino (im Saal und auch transportabel auf LKW LO 1800), Bibliothek und andere kulturelle Aktivitäten.
Darüber hinaus gab es in den Einheiten und im Stab jeweils eine Parteigrundorganisation, in der alle in der Einheit existierenden Genossen zusammengefaßt waren. Diese Gros wurden durch eine zentrale Parteileitung des Truppenteils geführt.
Hier war sie, die Führung durch die Partei. Da ja auch die jeweiligen Kommandeure Parteimitglied waren, konnte es geschehen, das sie in den Parteiversammlungen Rechenschaft ablegen mussten. Was ich so persönlich nicht erlebt habe. Lediglich bei Fehlverhalten einzelner Parteimitglieder das Aussprechen von Verwarnungen.
Planungsoffizier
Im Jahre 1980 wurde ich in den Stab als Planungsoffizier versetzt. Eine Planstelle, die mir zunehmend weniger Freude bereitete und in keiner Art und Weise meinen Interessen entsprach.
Als Planungsoffizier musste ich die Planungen für das gesamte Regiment erstellen und dabei die Belange aller Dienstbereiche unter einen Hut bringen. 2 Tage (montags) Politunterricht, jeden Dienstag Parktag, Besprechungen- Kommandeur mit Stellvertretern, mit Kompaniechefs, militärische Ausbildungen, Schießen, Sitzungen der Schadenskommission, des Verkehrssicherheitsrates, Parteiversammlungen usw. Dazu die Planung der 24-Stunden-Dienste, OvD (Offizier vom Dienst), GOvD (Gehilfe des OvD), OvP (Offizier vom Park), GOvP (Gehilfe vom OvP).
Bei allem sollte es aber keine Überschneidung geben, also wenn Sitzung des Verkehrssicherheitsrates war, sollte der Offizier XY nicht als OvP abwesend sein, noch schlimmer, wenn er bei einer Parteiversammlung oder ähnlichen fehlte.
Dazu kam, dass die Dienste natürlich auch über die Wochenenden und Feiertage geplant werden mussten. Das musste sehr gerecht zugehen. Das alles wurde dann am Monatsende für den nächsten Monat für den Kommandeur und seinen Stellvertretern von mir vorgestellt und verteidigt. Selten ging das ohne Murren und Änderungsforderungen ab. Durch einen für mich glücklichen Zufall kam nach 1,5 Jahren der Wechsel zur Gruppe Ausbildung als Oberoffizier Kfz-Ausbildung.
Oberoffizier Kfz-Ausbildung
Nun war ich für die Gestaltung der gesamten Kfz-technischen Ausbildung im Truppenteil verantwortlich. Das reichte von der Heranbildung von Militärkraftfahrern, Schulung und Prüfung aller Typenberechtigungen, Ausbildung von Hilfs- und Fahrlehrern, alle Qualifizierungen im Kfz-technischen Bereichen.
Mir unterstanden ein Gruppe von 8 Fahrlehrern und ihrer Technik (LKW W 50 LA), Kfz-technische Unterrichtsräume mit diversen Lehrmodellen, sowie die Kfz-Lehrbahn mit einem Zivilbeschäftigten.
Diese Arbeit bereitete mir viel Freude, besonders weil ich auch Ideen zur Verbesserungen mit meinem Kollektiv erarbeiten und umsetzen konnte.
In den Schulungsräumen entstanden nicht nur anschauliche Modelle, sondern wir entwickelten auch Modelle, an denen man Einstellungsarbeiten und Fehlersuche durchführen konnten. Manchmal war die Fehlersuche in der Ausbildung so „erfolgreich“, das am Ende viel mehr Fehler eingebaut waren, als vorhanden sein konnten und alles neu aufgebaut werden musste.
Auch war ich mit meinem Kollektiv immer auf der Suche nach besseren Ausbildungsmethoden. So übernahmen wir z.B. die Gestaltung des Theorieunterrichts mit der Methode „Gruppenarbeit“. Damit hatte mancher Vorgesetzte schon Probleme, dass in einem Unterricht in unterschiedlichen Gruppen diskutiert und gelernt wurde, an Stelle militärischer exakten „Stehaufmännchen- Ausbildung“.
Kfz-Lehrbahn
Eine Lieblingsaufgabe war die Gestaltung und Unterhaltung der Kfz-Lehrbahn. Auf einem waldigen Gelände in Strausberg Vorstadt befand sich eine Lehrbahn für geländegängige Radfahrzeuge mit Steilhang, Eisenbahndammüberquerung, Wasserdurchfahrt, Slalomfahrten zwischen den Bäumen.
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Das Sagen auf der Bahn hatte ein Zivilbeschäftigter, der für die Unterhaltung und die Einweisung der Fahrschüler verantwortlich war.
Ein Höhepunkt unserer Entwicklungsgedanken war der „laufende Waldarbeiter“, an einem Seil kam kurz vor dem auf der Kfz-Lehrbahn langfahrenden LKW eine Puppe quer aus dem Wald heraus über die Straße. Hier konnte man schön die Reaktionszeit des Fahrers messen. Leider sprach sich der Effekt mit der Zeit herum und die Wirkung verpuffte.

Ideen war das eine, die Umsetzung das andere. Wir wollten einen Platz schaffen, an dem man das Eisenbahnverladen von Kfz üben konnte, ohne auf die Kapazität und die Zeitvorgabe der Deutschen Reichsbahn angewiesen zu sein. Von dem befreundeten Eisenbahnregiment erhielten wir zum Abholen Eisenbahnschienen und Schwellen, mit denen wir dann ein wunderschönes Anschlußgleis mit Verladerampe bauten.
Wo nun aber Eisenbahnplatten-Waggons (Flachwagen) , mindesten zwei, her bekommen. Ich weiß nicht mehr wie, aber über Hilfe vieler und Beziehungen wurde eines Tages zwei ausrangierte Eisenbahnplattenwagen auf das Gleis gestellt.
Siehe auch hier: Videos: https://www.kfz-regiment2.de/ausbildung/
Trichinen im Grillschwein
Wir waren stolz über unseren neu geschaffenen Ausbildungsplatz und begingen diesen Tag mit einem kleinen Grillfest auf der Lehrbahn. Eigenlich sollte es Wildschwein geben. Unser Platzwart hatte an einem seiner Wartungsarbeitstage ein kleines Wildschwein eingefangen und es heimlich fett gefüttert. Als es schlachtreif war, erfuhr ich davon. Was nun machen? Am Besten es auch heimlich aufessen, also zur Einweihungsfeier. Ein Metzger war gefunden, das Schwein geschlachtet, nun kam nur noch der pflichtgemäße Trichinen-Beschauer und dann sollte es los gehen.
Aber der Trichinen Beschauer stellte fest, das Tier ist mit Trichinen verseucht und damit war es Essig mit dem Wildbraten. Kurzzeitig lange Gesichter, dann schnell Grillfleisch besorgt und die Fete konnte steigen.
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Offizier für Sonderaufgaben
Zu den täglichen Aufgaben – der allseitigen Kfz-technischen Sicherstellung des Ministeriums für Nationale Verteidigung vom Minister bis zur letzten Abteilung unseres Regiments – kamen gelegentlich auch noch spontane Sonderaufgaben.
Eines Sonntags Morgens gegen 8 Uhr stand der Melder mit Wartburg an der Tür: „Sofort zur Dienststelle und im vorgesetzten Stab melden“. Dort bekam ich dann den Befehl: „Die kleine Kfz-Kolonne, Führungs- Kfz, Pkw Tatra , Tschaika, Wolga , besetzt mit einem General und einem Oberst zum Flugplatz Marxwalde (heute Neuhardenberg), den Oberkommandierenden der Roten Armee Marschall Kulikow abholen und die Kolonne zum Gästehaus nach Wilkendorf führen. Besonderheit: Egal, wenn das Flugzeug landet, unmittelbar danach los fahren, es darf nicht zum Halt an der geschlossenen Schranke in Strausberg kommen.
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Das war vielleicht eine Aufgabe, natürlich lief alles so, das genau in dem Zeitfenster auch die S-Bahn fuhr (obwohl die damals nur alle 40 Minuten fuhr),
Durch etwas geschicktes Verlangsamen der Fahrt habe ich es gerade so ohne Halt hinbekommen. Als Lohn gab es in der Gästehausküche für mich eine Flasche Wernersgrüner. ( zu DDR Zeiten eine Besonderheit).
Inspektion
Sehr häufig fuhren unser Kraftfahrer ihre Nutzer zu Inspektionen zu den unterschiedlichen Truppenteilen in der DDR. Aber auch aller paar Jahre traf es auch das Kfz-Regiment und eine Inspektionsgruppe unter Leitung unseres vorgesetzten General fiel über uns herein.
Gewöhnlich begann das Ereignis mit einem Gefechtsalarm in den frühen Morgenstunden, dann wurde die Planung über den Haufen gehauen und Kontrollaufgaben formuliert. Die Einheit wird überprüft im Schießen, die andere im Sport .
Überprüfung aller Nachweise, Lagerbestände und überall die Sauberkeit und Ordnung. Im Kfz-Park lies sich der General eine Leiter geben, stieg hinauf an der Pkw-Garage und kontrollierte ob die Dachrinne sauber war. Das war sein Steckenpferd, man nannte ihn nicht umsonst den höchstbezahlten Hauptfeldwebel der NVA.
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Der Höhepunkt war immer der Kfz-Appell. Die Fahrzeuge schnurgerade ausgerichtet, auf Hochglanz poliert, das Werkzeug vor dem Kfz apellmäßig ausgebreitet (der 8/10 ner Maulschlüssel fehlte immer), die Kraftfahrer die vorgeschriebene Meldung immer wieder vor sich hinmurmeln.
Was kann da schief gehen? „ Die Scheibenwischer sind nicht ausgerichtet!
Manöver
An allen und auch kleineren Manövern waren auch immer Kräfte des Kfz-Regiments beteiligt und zwar ausschließlich als sicherstellende Einheiten. Das reichte von einem einfachen Kontingent von Pkw bis über die Verlegung von 2 Drittel des Regiments in den Aktionsraum mit Pkw, Gelände Kfz, Stabs KOM und Instandsetzung Kompanie.
Mein erstes kleines Manöver erlebte ich als Unteroffiziersschüler. Ich übernahm einen geländegängigen Pkw Typ P3 und holte im Ministerium meinen Nutzer, einen Oberst, ab. Mit dem fuhr ich Samstags vormittags nach Leipzig. Wir trafen zur Mittagszeit im Militärbezirk ein, gerade als alle Berufssoldaten und Soldatinnen in das wohlverdiente Wochenende strömte (damals wurde bis Samstag Mittag gearbeitet.), um 2 Stunden später eilig wieder in die Dienststelle zu strömen. „Mein“ Oberst hatte Gefechtsalarm ausgelöst.
Kurze Zeit später war der gesamte Militärbezirk marschbereit und es begann eine Verlegeübung, in 8 Tagen in Einzeletappen von Leipzig in den Raum Güstrow.
Mein Nutzer war, wie noch mehrere Offiziere des MfNV, „Schiedsrichter“ und beurteilten das Marschieren der einzelnen Kfz- Kolonnen und die feldmäßige Unterbringungen in den einzelnen Etappen.
Geschlafen habe ich im P3, auf der Bank hinter dem Beifahrersitz, die war schmal, aber reichte in der Länge für den ganzen Körper.
In der ersten Nacht, ich hatte 2 Stunden geschlafen als mich „mein“ Oberst weckte, „ rüber, ich schlafe hier, bei dem Geschnarche im Stabskom kriege ich keinen Schlaf“. Also ich rüber auf die kleine Bank hinter dem Fahrersitz. Nur war die auch sehr schmal aber nur so lang vom Kopf bis Po, also Fahrersitz ausbauen, Sturmgepäck dazwischen, so ging es.
Dann war ich noch persönlich beim Manöver „Waffenbrüderschaft“ im Raum Erfurt als Kraftfahrer mit einem Wolga 21, bei dem Manöver „Wal77“ in der Marinebasis Rostock Markgrafenheide als Kfz-Einsatzleiter bei Sojus 83
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und bei dem Manöver „Waffenbrüderschaft 80“ 2 im Raum Brück als Stabschef des Sicherstellungsbatallions tätig.
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Und am Manöverball durfe ich auch teilnehmen.
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Tauwetter
In der Sowjetunion war Michael Gorbatschow an die Macht gekommen und im Zusammenprallen beider Militärblöcke zeigten sich erste Risse.
So besuchten Bundeswehr-Offiziere kleinere Manöver der NVA und umgekehrt fuhren NVA-Offiziere zur Bundeswehr in die BRD.
Wir erfuhren davon, da zwei meiner Fahrlehrer im Dienstgrad Fähnrich ausgewählt wurden, neue Pkw Volvo erhielten und mit ihren Nutzern in die BRD fuhren. Wir waren platt, wer hätte das gedacht, das so etwas möglich ist.
Gespannt waren wir, was werden die berichten, wenn sie wieder da sind. Und wie enttäuscht waren wir, als sie nichts erzählten. Sie waren zum Stillschweigen verpflichtet. Ich musste ihnen lediglich einen Tag frei geben, damit sie einen schriftlichen Bericht über ihre Einsatztage abfassen konnten. Den wir natürlich nicht zu Gesicht bekamen.
Das Jahr 1989
Es waren aufregende Tage in dieser Zeit. Es begann langsam und wurde immer stärker, die Begriffe Perestroika und Glasnost machten die Runde. Noch hielt die Partei (SED) stramm dagegen, aber auch bei uns wurde jetzt vermehrt der „Sputnik“ gelesen.
Bis zu seinem Verbot, was nun auch schon fast öffentlich dabattiert wurde. Das geschlossene Meinungsbild löste sich langsam auf und sehr unterschiedliche Positionen wurden sichtbar. Und alles ohne offensichtliche Konsequenzen.
Mauerfall
Es war der 09. November 1989, um 14.00 Uhr begann mein 24 Stundendienst als OvD (Offizier vom Dienst). In der Diensteinweisung wurden mir keine besonderen Aufgaben oder Schwerpunkte genannt. So begann ein ruhiger Dienst . Natürlich schaute ich, wie viele andere auch, gespannt am Fernseher die Pressekonferenz von Schabowski. Ich vernahm auch das Wort „unverzüglich“, aber als eingefleischter Befehlsempfänger und mit der Struktur von Befehlen und Anweisungen vertraut, bedeutete das Wort „unverzüglich“ für mich, das in den nächsten Tagen ein Ablauf festgelegt und eine Reihe von administrativen Maßnahmen zur Umsetzung der Reisefreiheit erfolgen würden. Somit blieb ich ruhig . Schaltete den Fernseher aus und versah meinen Dienst. Gegen 22.00 Uhr kontrollierte ich die einzelnen Kompanien ob die Nachtruhe eingehalten wurde.
Nun muss man sich vor Augen halten , es gab pro Kompanie nur einen Fernseher, ein Radio im Kompanieclub, der Unteroffizier von Dienst hatte auch ein Radio, alles natürlich nur DDR-Sender. Es gab keine Handys , oder andere Nachrichtenquellen. Nicht alle Soldaten schauten fern. Der Kompanieclub war ab 21.30 Uhr geschlossen. So war um 22.00 Uhr in den Kompanien alles still.
Nur in der I-Kompanie (8.Kompanie) war am Platz des UvD eine kleine Diskutierrunde. „Was gibt es denn?“, „Na haben sie Schabowski nicht gehört?“, „ Na, klar, das wird dann in den nächsten Tagen geregelt
und jetzt ins Bett“
Es herrschte aus meiner Sicht gesehen Ruhe im Regiment. Erst am nächsten Morgen überschlugen sich die Ereignisse und ich staunte, was ich da verpasst hatte und mit mir das Regiment.
Ende der aktiven Zeit naht
Am 30.04.1990 endete meine aktive Zeit als Berufssoldat, das stand schon seit vielen Jahren fest und ich sah nicht den geringsten Grund, diese Zeit zu verlängern. Was sollte, besser, was wollte ich ab Mai tun?
In den letzten 10 Jahren hatte ich als Hobby die Kultur entdeckt und war Mitglied im Amateurkabarett „Der Stachel“ des Kultur- und Sportzentrums der NVA Strausberg.
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Nun kam mir gelegen, das durch eine Strukturänderung in der Arbeitsgruppe Polit eine Zivilplanstelle Instrukteur für kulturelle Arbeit geschaffen wurde. Ich bewarb mich für die Stelle und bekam sie.
Instrukteur für kulturelle Arbeit
Nun war ich Zivilist und für die kulturelle Arbeit im Truppenteil zuständig. Ich war verantwortlich für eine umfangreiche Bibliothek, die von einer Bibliothekarin geleitet wurde.
Wir hatten einen großen Kinosaal mit einer stationären und einer transportablen Kinoanlage auf einem LO, und einem Filmvorführer Dienstgrad Feldwebel. Außerdem war ich zuständig für alle Kompanieclubs mit Fernseher, Radio, Plattenspieler.
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In diesen Tagen bekamen wir auch noch eine Radioanlage, die in jeder Stube einen Lautsprecher mit wahlweise 3 DDR-Sendern. Über diese Anlage konnte ich auch ein Truppenteil Radio betreiben, was ich dann auch organisierte.
Von jetzt bis zum Ende der NVA waren wirklich verrückte Zeiten . Während die Kraftfahrer tagtäglich pflichtbewusst und zuverlässig ihre Fahraufgaben erledigten, die Instandsetzungskräfte alles daran setzen, um immer alle Fahrzeuge fahrbereit zu halten, passierte Dinge, die noch vor ein paar Monate undenkbar waren.
Mit meiner Kollegin, Sachbearbeiterin für kulturelle Aufgaben führten wir ein kleines Kaffee mit Pausensnacks. Hier lagen Zeitungen aus, auch westdeutsche. Am beliebtesten war die „Praline“.
Im Truppenradio spielten wir auch Westtitel, im Kinosaal kam eine Videoanlage mit Videos, auch aus dem Westen. Mit ausgelesenen Besucher lief auch mal ein Porno.
Bei der Personalversammlung aller Zivilbeschäftigter wurde eine Personalvertretung gewählt. Ich weiß nicht wie es dazu kam, aber plötzlich war ich Personalratsvorsitzender und nahm fortan bei allen diesbezüglichen Besprechungen beim Kommandeur teil.
Als Höhepunkte meiner kulturellen Arbeit bezeichne ich die zwei von mir organisierte Veranstaltungen. Den Frühlingsball im Kinosaal, neben Musik zum Tanzen, kleinen Einlagen gab es eine Stripteasevorführung. Es wurde bis früh in den Morgen gefeiert.
Und das Herbstfest, als Tag der offenen Tür begangen und wieder mit einem Ball als Abschluss.
An diesem Tag konnte jeder alles besichtigen, nichts mehr war geheim. Da gab es einen Info-Stand von Schwäbisch Hall, ein Winzer aus der Pfalz bot seine Produkte an. Kinder konnten im Trabant-Kübel eine Runde mit fahren.
Und wir hatten einen Stand aufgebaut auf dem stand: Wir verkaufen unsere Armee , hier gab es bereits die ersten ausgsonderten Armeeartikel käuflich zu erwerben.
Alle waren von dem Fest der Ungezwungenheit begeistert, wenn es auch dem einen oder anderen eingefleischten Militär sehr unwirklich vorkam.
Ich war rundherum mit meiner Arbeit zufrieden, die jedoch plötzlich endete.
Schlussakkord
Am 31. August, gerade aus dem Urlaub zurückkehrt, erfuhr ich, der neue Verteidigungsminister Eppelmann hat alle Politstellen ersatzlos gestrichen. Darunter fielen auch alle Planstellen für kulturelle Arbeit, denn Kulturarbeit gibt es bei der zukünftigen Vereinigung mit der Bundeswehr nicht.
Da machte mir der Kommandeur den Vorschlag ( da er den Betriebsratsvorsitzenden halten wollte (und die von mir organisierten Bälle toll fand) mich auf die Zivilplanstelle/Fahrlehrer zu setzen und die Arbeit aber wie gehabt fortzusetzen.
Das habe ich noch den gesamten September getan, wurde dann aber von einer Fahrschul-GmbH aus Seefeld angesprochen, ob ich nicht dort anfangen wolle. Rat suchen beim Kommandeur :“ Nimm an, hau ab, ich weiß nicht wie es weitergeht“.
25 Jahre aktive Dienstzeit, vom Dienstgrad „ Kraftfahrer“ bis zum „ Major“ alle Dienstgrade durchlaufen, außer Gefreiter und die Fähnrichdienstgrade,
Tschüß Kfz-Regiment!
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